Rezept-Frei

Low Insulin statt Low Carb

Die Medizinjournalistin Dr. med. Martina Lenzen-Schulte hat in  der Ausgabe Heft 41 des Deutschen Ärzteblatts eine mehrseitige Abhandlung zu dem Thema „Dein Freund, der Ketonkörper“ veröffentlicht (1). Darin setzt sie sich kritisch mit den aktuellen Ernährungsempfehlungen zur Behandlungen von Typ 2 Diabetes und Adipositas auseinander. Aber warum ist ein Ketonkörper dein Freund?

Wenn man Gewicht abnimmt, d.h. wenn der Körper seine Fettreserven auflöst, entstehen Ketonkörper, die zur Energiegewinnung genutzt werden. Bei der Gewichtsreduktion ist eine gewisse Menge an Ketonkörpern im Blut daher ein gutes Zeichen für die aktivierte Fettverbrennung!

Zur Gewichtsabnahme oder bei Typ 2 Diabetes wird bisher eine kohlenhydratreiche Ernährung empfohlen, da Kohlenhydrate nur halb so viele Kalorien pro Gramm enthalten wie Fett. Auf der anderen Seite führen Kohlenhydrate insbesondere Stärke, zu einem Anstieg der körpereigenen Insulinproduktion. Insulin blockiert aber den Fettabbau und damit die Bildung der Ketonkörper; ist also für Personen, die Gewicht abnehmen wollen nicht der Freund! Umgekehrt schüttet die Bauchspeicheldrüse bei einer kohlenhydratarmen Kost (=’Low Carb’) kaum Insulin nach den Mahlzeiten aus, so dass die Fettverbrennung starten kann. Daher führt diese ‘Low Insulin’-Strategie in der Regel auch zu schnellen Erfolgen bei der Gewichtsreduktion und der Senkung der Blutzuckerspiegel. Dennoch gibt es aktuell in der wissenschaftlichen Fachwelt heftige Diskussionen, welcher dieser beiden Wege – kohlenhydratreich / kalorienarm auf der einen Seite oder kohlendyrdatarm / ketonkörperreich (=ketogen) auf der anderen Seite – am günstigsten für die Behandlung des Typ 2 Diabetes und der Adipositas ist.

Dr. Sarah Hallberg von der Universität in Lafayette in Indiana/USA hat kürzlich in einer sehr emotionalen Publikation im „British Journal of Sports Medicine“ zu einem Boykott der aktuellen Ernährungsleitlinien aufgerufen, die eine kohlenhydratreiche Ernährung empfehlen (2). Sie argumentiert, dass der menschliche Organismus eigentlich keine Kohlenhydrate benötigt, da er Glukose – im Gegensatz zu bestimmten Fetten – in genügendem Maße selbst herstellen kann und Kohlenhydrate sich durch die Stimulation der Insulinproduktion eher ungünstig auf Gewicht und den Typ 2 Diabetes auswirken. Zusammen mit Ihren Kollegen hat sie an über 260 Personen mit Typ-2-Diabetes zeigen können, dass eine Kost mit extrem reduzierten Kohlenhydraten erhöhte Blutzuckerwerte so stark normalisiert, dass sogar die Insulintherapie oder andere Diabetesmedikamente nahezu komplett abgesetzt werden konnten (3). Auch weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie auch erhöhte Leberwerte besserten sich unter einer kohlenhydratarmen Kost dramatisch (4). In einer Kontrollgruppe, die sich weiter mit einer kohlenhydratreichen Kost ernährten, kam es zu keiner Besserung der Blutzuckerwerte oder anderer Laborwerte.

Dass man durch eine extrem kalorienarme Kost den Typ 2 Diabetes besiegen kann, konnte in diesem Jahr von der englischen Arbeitsgruppe von Roy Taylor gezeigt werden (5). Er setzte eine flüssige Mahlzeitenersatztherapie – sogenannte Formuladiäten – mit einer Gesamtkalorienmenge von ca. 850 kcal ein. Wir konnten ähnliche Erfolge bei Typ 2 Diabetes erreichen, haben den Betroffenen aber eine Formuladiät mit über 1.200 kcal geben können (6). Denn im Gegensatz zu der englischen Studie war die von uns verwendete handelsübliche Formuladiät kohlenhydratärmer. Bereits zuvor konnte gezeigt werden, dass eine extrem kohlenhydratarme Kost mit höherem Kaloriengehalt, die zu einem messbaren Anstieg der Ketonkörper im Blut führt, sich günstiger als eine kalorienarme / kohlenhydratreiche Ernährung auf den Blutzucker bei Personen mit Typ 2 Diabetes auswirkt (7).

Diese Daten zeigen, warum bei Personen mit Typ 2 Diabetes oder Adipositas Ketonkörper wirklich als „Freund“ zu betrachten sind. Vielleicht wäre es besser statt über `Low Carb` über ‘Low Insulin’ nachzudenken.

  1. Lenzen-Schulte M: Dein Freund, der Ketonkörper. Dtsch Arztebl (2018) 115: A-1810 / B-1524 / C-1510.
  2. Hallberg S. Reversing type 2 diabetes starts with ignoring the guidelines. Br J Sports Med (2018) 52: 869-871.
  3. Hallberg SJ, McKenzie AL, Williams PT, Bhanpuri NH, Peters AL, Campbell WW, Hazbun TL, Volk BM, McCarter JP, Phinney SD, Volek JS. Effectiveness and Safety of a Novel Care Model for the Management of Type 2 Diabetes at 1 Year: An Open-Label, Non-Randomized, Controlled Study Diabetes Ther (2018) 9:583–612
  4. Bhanpuri NH, Hallberg SJ, Williams PT, McKenzie AL, Ballard KD, Campbell WW, McCarter JP, Phinney SD, Volek JS. Cardiovascular disease risk factor responses to a type 2 diabetes care model including nutritional ketosis induced by sustained carbohydrate restriction at 1 year: an open label, non‑randomized, controlled study Cardiovasc Diabetol (2018) 17:56-72
  5. Lean ME, Leslie WS, Barnes AC, Brosnahan N, Thom G, McCombie L, Peters C, Zhyzhneuskaya S, Al-Mrabeh A, Hollingsworth KG, Rodrigues AM, Rehackova L, Adamson AJ, Sniehotta FF, Mathers JC, Ross HM, McIlvenna Y, Stefanetti R, Trenell M, Welsh P, Kean S, Ford I, McConnachie A, Sattar N, Taylor R. Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, cluster-randomised trial. Lancet (2018) 391:541-551.
  6. Kempf K, Röhling M, Niedermeier K, Gärtner B, Martin S. Individualized Meal Replacement Therapy Improves Clinically Relevant Long-Term Glycemic Control in Poorly Controlled Type 2 Diabetes Patients. Nutrients (2018) 10 – E1022.
  7. Hussain TA, Mathew TC, Dashti AA, Asfar S, Al-Zaid N, Dashti HM. Effect of low-calorie versus low-carbohydrate ketogenic diet in type 2 diabetes. Nutrition (2012) 28:1016-21

Bildquelle: iStock IGphotography 641562680

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