In ihrem Lied “Kinder” aus dem Jahr 1977 singt die Liedermacherin Bettina Wegener: “Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei. Darf man niemals quälen, geh`n kaputt dabei.” Besser kann man eine ganz aktuelle Studie nicht zusammenfassen, bei der über 2100 Teilnehmer eingeschlossen wurden. Dabei wurden kindliche Stressfaktoren wie finanzielle Not, Missbrauch, Vernachlässigung, häufige Umzüge, getrennt von den Eltern leben und Sozialhilfe erfasst und der Einfluss auf unterschiedliche Erkrankungen im mittleren Lebensalter in Zusammenhang gebracht.
Die Ergebnisse zeigten, dass das Risiko von Gesundheitsproblemen bei Männern und Frauen mit der Menge an Stress, den sie in der Kindheit erlitten, zunahm. Die Auswirkungen von Stress bei Männern und Frauen waren jedoch unterschiedlich: Stress in der Kindheit wirkte sich tendenziell stärker auf den Stoffwechsel von Frauen, als von Männern aus. Andererseits scheinen emotionaler Missbrauch und Vernachlässigung größere Auswirkungen auf Blutkrankheiten, psychische Störungen und Verhaltensstörungen sowie Schilddrüsenprobleme bei Männern zu haben.
Diese Ergebnisse zeigen zum einen, dass das Arzt-Patienten-Gespräch, dem in unserem Gesundheitssystem immer weniger Raum gegeben wird, eine größere Rolle spielen müsste. Denn nur so kann man auch Belastungen aus der Kindheit erfassen. Aktuell werden wohl die meisten Menschen, die erheblichen Stress oder ein Trauma in der frühen Kindheit erlebt haben, nie entdeckt und können somit auch keiner adäquaten Behandlung zugeführt werden. Zum anderen bestätigen die Ergebnisse das Lied von Bettina Wegner und sollten ein Ansporn an uns alle sein, kleine Seelen zu beschützen.
Alley J, Gassen J, Slavich GM. The effects of childhood adversity on twenty-five disease biomarkers and twenty health conditions in adulthood: Differences by sex and stressor type. Brain Behav Immun. 2025 Jan;123:164-176. doi: 10.1016/j.bbi.2024.07.019. Epub 2024 Jul 25. PMID: 39025418; PMCID: PMC11624074.